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Tres Horas
1737 veröffentlichte der Jesuitenpater Alonso Messia Bedoya in Peru seine Schrift Tres Horas. Hier beschrieb er minutiös eine neuartige, von ihm maßgeblich entwickelte Andachtsform. Sie hatte zum Ziel, am Karfreitag (zwischen 12 und 15 Uhr, den biblischen Vorgaben entsprechend) der Kreuzigung Christi und dessen letzter Worte zu gedenken.
In der Tres Horas veröffentlichte Bedoya aber auch seine Mediationen, in denen er die „Sieben letzten Worte des Erlösers“ reflektierte. Über Spanien verbreitete sich sein Andachtsbuch in Europa. Ebenfalls von Spanien, aus Cadíz, erhielt Haydn den Auftrag, das Septenar gemäß den von Bedoya eingeführten Regularien zu vertonen. Zahlreiche Übereinstimmungen seiner Musik mit den Deutungen des Jesuiten legen nahe, dass Haydn die Veröffnelichung kannte und es dürften auch Bedoyas Texte gewesen sein, die bei der Uraufführung den sieben Sonaten Haydns vorgeschaltet wurden. Tres Horas vereint nun Haydns Musik wieder mit den meditativen Texten Bedoyas. Im Sinn des von Bedoya entworfenen „Theatrum Sacrum“ wird zusätzlich eine Bilderwelt geschaffen, in welcher der Mensch an der Schwelle zwischen Leben und Tod im Zentrum steht. Durch die Kombination von Musik, Text und einer Videoprojektion erscheint Haydns Werk in neuem Licht, voll Erhabenheit und Würde.

Mithilfe einer Videoinstallation des Fotografen und Filmemachers Meinrad Hofer werden Themen von Leben und Tod visualisiert, ohne das Dazwischen außer Acht zu lassen. Im Zentrum steht der Mensch als unbeständige Identität, der sich im Laufe seines Lebens im stetigen Wandel befindet. Diese Transformation des Mensch- und Menschlichseins drückt sich durch die Überblendung verschiedener Filmaufnahmen aus. Die bewusst langsamen Überblendungen kennzeichnen den Übergang von einem in das andere und lassen momenthafte Bildverknüpfungen zwischen dem
Dagewesenen und dem Kommenden entstehen. So werden einerseits die Grenzen von Objekt und Subjekt aufgezeigt, aber auch Synergien erzeugt. Dabei überlappen sich nicht nur Landschaftsaufnahmen und Portraits, sondern auch die Erzählstränge der Tres Horas.

Jedem der sieben letzen Worte Jesu am Kreuz wird eine eigene Bildwelt gegenübergestellt, die den Übergang von Leben und Tod durch sich überlappende Filmaufnahmen verbildlicht und damit ein Stück weit ergreifbar macht. Die erzeugten Bildwelten reichen von Aufnahmen skulpturaler Fotografien, über Nebelschwaden in der isländischen Landschaft oder brodelnde Geysire bis hin zu kontrastreiche Portraitaufnahmen. Die Eindringlichkeit der gezeigten
Aufnahmen nimmt von Wort zu Wort zu bis schließlich auf jeder der drei Leinwänden das Gesicht einer Person erscheint. Zu sehen sind slow-motion Aufnahmen des Sprechers Sebastian Koch, der Performerin und Choreographin Silke Grabinger und des Dirigenten Martin Haselböck. Alle drei befreien sich aus weißen Gipsmasken, demaskieren sich, legen die Masken ab und zeigen ihre Identität – „In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist.“